«Jeder Schadenfall hat seinen eigenen Ursprung.»

Mit dem Schadenexperten René Bucher im Gespräch

René Bucher ist als ‘Head of Construction’ Schadenexperte von Howden Schweiz AG, Teil des grössten europäischen Versicherungsbrokers. In dieser Funktion untersucht und beurteilt René Bucher Bauschäden und Baumängel für die Kunden von Howden Schweiz AG. Dabei kommen ihm und insbesondere seinen Kunden seine grosse Erfahrung im physischen Bauen, wie auch seine langjährige Versicherungserfahrung zugute.

René Bucher, wie genau darf man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen, was genau sind Ihre Aufgaben?

Mein Arbeitsalltag ist geprägt vom Einschätzen von Auswirkungen. Damit meine ich die Wirkung, welche Bautätigkeiten auf die Umgebung ausüben und gleichzeitig diejenigen, welche von aussen die Bautätigkeiten beeinflussen. Diese Auswirkungen setze ich in Versicherungsdeckungen um und bespreche diese mit der Bauherrschaft. Zusammen gestallten wir den korrekten Versicherungsschutz für die aktuelle Bautätigkeit. Der zweite Teil ist die Begleitung von Schadenfällen. Hier berate ich die Kundschaft, wie das korrekte Verhalten in einem Schadenfall ist. Meine Schadenberatung beginnt schon in der Einschätzung der Auswirkungen dieser Bautätigkeit. Hier können schon die ersten Handlungsfelder für die Schadenprävention besprochen werden. Wir sind ebenfalls die Schaltstelle zwischen unserer Kundschaft und deren Versicherung. Wir begleiten die Kundschaft bei Schadensitzungen und bei Bedarf übernehmen wir auch die Schadenführung.

Wie häufig kommen Bauschäden vor?

Ich kann keine konkrete Zahl oder Einschätzung abgeben. Die Schadenanfälligkeit einer Bautätigkeit ist von sehr vielen Komponenten abhängig. Es ist die Komplexität, also die Wechselbeziehung der Ausführung, aller beteiligten Werkersteller und die Arbeit der Planende. Eine gute und koordinierte Zusammenarbeit im Bereich Planung und Ausführung hat einen wesentlichen Einfluss auf Anzahl und Wahrscheinlichkeit von Bauschäden.

Was ist der Unterschied zwischen Bauschäden und Baumängeln?

Ein Bauschaden ereignet sich während der Bautätigkeit. Das heisst, die Gewerke sind von der Bauherrschaft noch nicht ab-, resp. übernommen worden. Hier muss der Schaden durch die verantwortlichen Baufirmen ausgebessert werden.

Ein Mangel wird in der Regel auch währen der Bautätigkeit verursacht, kommt aber erst nach der Abnahme durch die Bauherrschaft zum Vorschein. Ein Mangel ist eine Differenz zwischen dem bestellten Soll-Zustand und dem erbrachten Ist-Zustand. Wer hier die Kosten für die Mangelbehebung übernehmen muss, ist vom Vertrag und dem Zeitpunkt der Entdeckung des Mangels abhängig.

Wo liegt das Problem, wenn die Qualität beim Bauen nicht stimmt?

Das ist eine sehr offene Frage und kann nicht pauschal beantwortet werden. Die Qualität des Bauens beginnt zentral bei der Planung und endet bei der Ausführung. Die Ausführung wird von der Bauleitung begleitet. Hier ist die Koordination aller Baubeteiligten sehr wichtig. Der Planungsstand beim Start der Bauarbeiten hat auch einen grossen Einfluss auf das Endprodukt. Muss immer «von der Hand in den Mund» gebaut werden, und die Planung «hinkt» der Bautätigkeit nach, ist der wichtige Teil der Koordination erschwert.

Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich besonders konfrontiert?

Die grössten Herausforderungen entstehen auf der Baustelle. Wir beraten die Kundschaft und sind nicht direkt in die Bautätigkeit involviert. Damit kommen wir leider erst bei Schäden oder Vertragsfragen ins Spiel. Unser Auftrag ist der Entwurf einer optimalen Versicherungsdeckung für das Bauprojekt der Bauherrschaft. Auch für uns sind Schäden herausfordernd, denn jeder Schadenfall hat seinen eigenen Ursprung und seine Geschichte. Und dabei ist die Nachvollziehbarkeit, also das Aufdröseln der einzelnen Ereignisstränge komplex und herausfordernd.

Wie stark sind Bauten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, z.B. durch Stürme? Erhöht das die Anzahl an Schäden?

Der Klimawandel ist zuweilen verantwortlich für grosse Schäden. Bekannt sind Überschwemmungen, Hagel, Hochwasser und Stürme. Die Frage stellt sich auch hier, welche Auswirkungen trifft das Bauprojekt? Für uns heisst das mit Eventualitäten zu rechnen und wie beim Bauen gilt, eine gute Vorbereitung ist immens wichtig.

Wer haftet grundsätzlich für Bauschäden?

Haftungsfragen können leider nicht abschliessend beantwortet werden. Haftungen übernehmen entweder die Planenden oder die ausführenden Werkersteller. Klar zugewiesene Schäden sind haftungsseitig eindeutig. Erschwerend sind Schäden aus Naturereignissen, also Hagel, Wasser oder Feuer. Gleiches gilt übrigens auch für Vandalismus. Entstehen Schäden, bei denen keine klare Verantwortlichkeit gegeben, also keine Haftungsverantwortung angezeigt ist, bleibt der Schadenfall in der Regel bei der Bauherrschaft zurück.

Und was, wenn die Garantie bereits abgelaufen ist?

Ist die Garantie abgelaufen und Mängel werden entdeckt, müssen die Kosten der Mangelbehebung in der Regel durch die Bauherrschaft getragen werden.

Welche Schäden sind durch eine normale Gebäudeversicherung bzw. Hausratversicherung gedeckt, welche nicht?

Die Gebäude- und Hausratversicherung decken in der Regel keine Kosten, die im Zusammenhang mit Bautätigkeiten entstehen.

Die Bezeichnung der Versicherung, zeigt schon den versicherten Gegenstand. Die Gebäude-versicherung deckt Schäden, die an einem Gebäude entstehen wie Überschwemmungen, Hagel, Hochwasser, Erdbeben und auslaufen von Flüssigkeiten. Die Hausratversicherung deckt alle tragbaren Gegenstände, die ich beim Umziehen in eine Wohnung oder Haus mitbringe. Die versicherten Gefahren sind wie bei der Gebäudeversicherung und noch weitere Gefahren wie Einbruch.

Fachbegriffe verständlich erklärt

Bauschaden

Unter einem Bauschaden versteht man einen tatsächlichen Schaden als Folge von falscher Planung oder Ausführung, was zu beispielsweise zu Rissen, Feuchtigkeit oder Einsturzgefahr führt.

Baumangel

Baumängel werden als Abweichungen von der Soll-Beschaffenheit definiert, die nicht zwingend zu einem Schaden führen müssen.